Scheitern der Sondierungsgespräche und Delegiertenproblematik

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Die „Jamaika“-Sondierungsgespräche sind gescheitert und es steht die Frage nach GroKo, Minderheitsregierung oder Neuwahlen im Raum. Die Parteien haben sich in den Verhandlungen zwar teilweise angenähert, konnten sich jedoch in vielen Punkten nicht einigen. Selbst wenn sie zu einem Ergebnis und Leitlinien für einen Koalitionsvertrag gekommen wären, hätten diese von den Parteigremien gebilligt werden müssen. Dies hat für die Verhandler eine besondere Herausforderung dargestellt – die Schwierigkeit lag nicht zuletzt in dem für sie bestehenden Spannungsverhältnis zwischen Vertretung und Verhandlung. Auf der einen Seite ist es ihre Aufgabe den Versprechen gegenüber den Wählern und der eigenen Partei gerecht zu werden, ihre Interessen durchzusetzen und versprochene Standpunkte in der Koalition nicht aufzugeben. Auf der anderen Seite tragen sie eine Verantwortung zur Regierungsbildung und müssen in den Sondierungsgesprächen Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln und zu Kompromissen zeigen. Ihre Verhandlungs- und Ermessensspielräume sind daher beschränkt und stets von der Frage geleitet, wie man sich den anderen Parteien annähern kann, ohne dabei den Rückhalt der Vertretenen zu verlieren und die eigenen Parteiziele zu verfolgen.

Die Delegiertenproblematik kann auch in der Mediation eine Herausforderung sein. Bei Konflikten mit einer Vielzahl von Beteiligten wird das Verfahren oftmals mit Repräsentanten der einzelnen Interessengruppen durchgeführt (z.B. im innerbetrieblichen Bereich mit Vertretern der Geschäftsleitung, Rechtsabteilung oder des Betriebsrats), sogenannten Delegierten. Diese Vorgehen ermöglicht auch bei großen Gruppen eine Interessenklärung und einen gegenseitigen Verständigungsprozess der zu einer konsensualen Lösung führt. Für Mediatoren besteht die Herausforderung, dass die Verhandlungsführer (ähnlich wie die Verhandelnden in den Sondierungsgesprächen) nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern auch die der Vertretenen einbringen und repräsentieren müssen. Da die Vertretenen selbst nicht am Mediationsprozess beteiligt sind und den Verständigungsprozess, den Wandel hin zu einem kooperativen Verhandeln und eine etwaige Deeskalation nicht mit erleben, ist die Rückkopplung zu ihnen zu gewährleisten.

In der Mediation wird dabei zwischen dem „freien“ und dem „gebundenen“ Mandat unterschieden (hierzu ausführlich: Thomas, ZKM 2005, 80 ff.). Das gebundene Mandat gibt dem Delegierten klare Vorgaben von den Vertretenen und nur einen geringen eigenen Entscheidungs- und Ermessensspielraum. Es erfordert eine wiederholte enge Rückkoppelung des Verständigungsprozesses an die Vertretenen, die über Zugeständnisse oder Annäherungen der Gegenseite befinden. Diese enge Anbindung kann es dem Delegierten schwer machen konstruktiv an der Mediation teilzunehmen. Bei einem freien Mandat hat der Vertreter hingegen weitreichende Kompetenzen, Verhandlungs- und Ermessensspielräume. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Vertretenen den Prozess der Verständigung und Lösung nicht nachvollziehen können. Diese ist dann schwer als eigene anzuerkennen und zu akzeptieren. Lösungsansätze müssen u.U. widerrufen werden, was Vertrauen zwischen den Verhandelnden beeinträchtigen kann.

Die Kernaufgabe des Mediators liegt daher darin, die Delegierten in ihrer Rolle und dem damit verbundenen Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Vertretenen und der effizienten Mitwirkung am kooperativen Mediationsverfahren unter Nutzung der Verhandlungsspielräume zu unterstützen. Im Rahmen der gegebenen Dispositionsbefugnis kann er gemeinsam mit den Parteien erörtern, wer am Verfahren wie zu beteiligen ist und wie Vertretene gleichwohl sinnvoll mit einbezogen werden können. Wichtig ist, dass stets eine gute Rückkopplung und Information der Vertretenen stattfindet, da nur so gewährleistet wird, dass am Ende ein nachhaltiges Ergebnis steht, mit dem sich alle identifizieren können.